Wie wir miteinander umgehen

Nein danke, ich bin...

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Neulich erzählte mir eine Freundin von einer Situation, die sie merkwürdig fand. Sie hatte einem Bekannten ein Snickers angeboten, welches dieser dankend ablehnte – er sei ja Veganer. Sie war der Meinung, dieser Zusatz wäre an dieser Stelle vollkommen überflüssig und unangebracht und diene letztlich nur zur Profilierung und damit eventuell zu einer Zurschaustellung eines Lifestyles, in dem so etwas Profanes, ethisch Fragwürdiges und Ungesundes wie ein Snickers keinen Platz haben könne. Was insbesondere in einer Zeit, in der Essen immer weniger eine private Angelegenheit und viel mehr ein Feld gesellschaftlicher Debatte zu werden scheint, für Unmut sorgen kann. Es ist die Konfrontation mit einem politischen Statement an einer Stelle, die von vielen Menschen als vollkommen unpolitisch betrachtet wird.

Da ich solche Ergänzungen rund ums Thema Essen von mir selbst ziemlich gut kenne – Nein danke, ich esse kein Fleisch; Nein, ich achte gerade sehr auf meine Ernährung; Danke, aber ich trinke keinen Kaffee – hing ich dieser Schilderung in Gedanken noch etwas nach. Und musste zuerst einsehen, dass es tatsächlich – zumindest vordergründig - unnötige Kommentare sind, unnötiges Beiwerk, mit der Gefahr, den anderen, der eben Fleisch oder Milch oder Kaffee oder Zucker zu sich nimmt, anzugreifen. Für das Resultat meiner Entscheidung machen sie keinen Unterschied: Nein danke. Ohne Begründung. Außer vielleicht: Ich will jetzt kein Snickers essen. Kein Problem. Blickt man aber unter die Oberfläche, kommen noch andere Qualitäten zum Vorschein.

Zu allererst erscheinen mir solche Zusatzbemerkungen, solche ungefragten Begründungen, einfach schon daraus motiviert, sich dem Anderen mitzuteilen, sich in der Kommunikation, im Kontakt, nicht einfach nur auf das Mindeste, das Notwendigste zu beschränken, sondern sich zu zeigen mit den Dingen, die einem wichtig sind und am Herzen liegen. Und für immer mehr Menschen gehört eine bewusste Auseinandersetzung mit Ernährung eben zu diesen Dingen. Indem ich mich mitteile, lasse ich mein Gegenüber teilhaben an meinem Leben, es ist eine Geste der Offenheit, während Menschen, die uns mit knappen Ein-Wort-Sätzen abspeisen, verschlossen und abweisend vorkommen.

Daneben erfüllen die Begründungs-Zusätze eine weitere Funktion: Sie sind eine implizite Entschuldigung für das ausgeschlagene Angebot, machen eine gewisse Wertschätzung erkennbar. Denn in dem „Nein danke, ich bin Veganer“ schwingt immer auch der Zusatz mit „Ansonsten würde ich gerne ja sagen“. Auf diese Weise verdeutliche ich: Ich sehe dich. Ich nehme dein Angebot wahr, und auf einer abstrakten Ebene sogar an. Es geht hier um gegenseitige Wahrnehmung, Achtung und Wertschätzung.

Während diese Qualität das Potenzial hat, den durchaus geringschätzigen Zusatz „So etwas esse ich nicht“, der ja ebenfalls mitschwingt, ins Gegenteil zu verkehren, so muss dennoch auch eingeräumt werden, dass eben doch diese herablassende Konnotation vorherrschen, dominant hervortreten kann. Was im Endeffekt bei beiden ankommt, wird bestimmt durch das Prinzip, dass an Kommunikation immer zwei beteiligt sind, Sender und Empfänger, gemäß dem Motto von Paul Watzlawick: Ich weiß nicht, was ich gesagt habe, bevor ich die Antwort meines Gegenübers gehört habe.

Eine weitere Gefahr besteht darin, dass man, indem man so Stellung bezieht und eine Position einnimmt, den anderen ungebeten ebenfalls in eine Position zu versetzt: Ich finde es nicht in Ordnung, Snickers zu essen, du aber anscheinend schon. Das ist durchaus problematisch in einer Zeit, in der über jedem gedeckten Tisch als ungebetener Gast eine Dunstglocke aus moralischen Zweifeln und Vorwürfen schwebt. Auf der anderen Seite, die Tiere, die Natur, die hat auch niemand gefragt, ob es ihnen so recht sei.

Um aber den Wert einer ablehnenden Zusatzbegründung doch noch zu verdeutlichen, kann man auch den gegenteiligen Fall betrachten. Was, wenn ich auf die Frage, ob ich denn ein Snickers haben möchte, nicht einfach nur „Ja danke“ antworte, sondern auch „Ich liebe Snickers!“? Was für eine Glück für den Gebenden, mir so eine Freude bereiten zu können! Von Natur aus kennen kleine Kinder die Freude am Teilen, aber auch die Enttäuschung, wenn ein Angebot abgelehnt wird und wir dem anderen keine Freude bereiten können. Lernen Kinder, dass bedingungsloses Teilen nicht wahrgenommen wird, so werden sie erst die Vermutung und dann die Gewissheit entwickeln, dass es in unserer Welt besser sei, alles für sich zu behalten und geizig statt großzügig zu sein. Wenn es uns als Erwachsenen dann nicht zu einem gewissen Grad gleichgültig geworden ist, ob unsere Angebote angenommen oder abgelehnt werden, kann so ein erklärender Zusatz, eine nachvollziehbare Begründung, tröstend wirken.

Ließe sich trotz dieser Ambivalenz eine Schlussfolgerung ziehen, wie ich mich in Zukunft verhalten werde, mit oder ohne welchen Begründungen ich Angebote ablehnen oder annehmen werde? Ich weiß es wohl nicht, und werde versuchen, so bewusst wie möglich in der jeweiligen Situation zu bleiben, um zu entscheiden, was gerade das Angemessene zu sein scheint.

(ts; momentan so ↓)