Wie wir gehen - und was das für uns bedeutet

Barfuß - Trend oder mehr darunter?

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Das Charakteristische an Trends ist ja, dass sie kommen und gehen. Das Charakteristikum am Gehen hingegen ist, dass es nicht geht. Also, nicht weg geht. Man kann zwar weggehen, aber gehen tut man trotzdem. Nun ja, lassen wir das sein …

Während vor zehn Jahren die Idee, im alltäglichen Leben mehr barfuß zu laufen, eher noch ein Thema bei (vermeintlich) verschrobenen Sektierern und Extrem-Puristen war, scheint sie mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein. Gemeint ist erstmal die Idee, noch nicht unbedingt die praktische Umsetzung! Denn während selbst Tante Anne mittlerweile berichten kann, dass Barfuß-Laufen ja so ungemein gesund sein soll, sieht man doch weiterhin selten ganz nackte Füße - und das selbst dort, wo die Gelegenheit eigentlich günstig ist, auf der Wiese oder dem Rasenplatz beim Sport, zum Beispiel. Nun, woran mag’s liegen?

Zum einen ist der Geist zwar meist willig, aber das Fleisch schwach. Meint: Die Gewohnheit und Konvention des Schuhetragens wirken stärker als das Vertrauen in einen neuen, vielleicht ungewöhnlichen Schritt (dies im wahrsten Sinne des Wortes). Zum anderen lassen sich die jahrelang ins Gehirn gesetzten Werbebotschaften der Schuhindustrie nicht einfach auslöschen. Hartnäckig hält sich Botschaft, ein gedämpfter Schuh sei unabdingbar für gesunden Sport, ein fester Schuh der beste Tritt auf jedem Terrain, und ohne Ummantelung sei der Fuß verletzlich und gefährdet. Und dann nagt der Zweifel: Kann das wirklich gesund sein, so ganz ungeschützt und ungefedert durch die mit Gefahren gespickte Welt zu gehen?

Zum Gehen und Laufen geboren


Um anzufangen, lohnt sich wie so oft ein Blick auf die Natur des Menschen: Nackt und barfuß kommen wir auf die Welt, und es ist davon auszugehen, dass die evolutionäre Entwicklung und Anpassung uns, wie auch alle anderen Lebewesen, mit den besten körperlichen Voraussetzungen für ein gesundes Leben ausgestattet hat. Der Körper des modernen Menschen, inklusive seines aufrechten Gangs, entwickelte sich schon vor Millionen von Jahren, und seitdem trugen uns zwei Beine fast ausschließlich barfuß durch das Leben.

Der gesamte Aufbau von der Sohle bis zur Hüfte, ja sogar bis hinauf zum Becken, zur Wirbelsäule und dem Schädel, ist mit seinen knöchernen Strukturen, den Muskelpartien und Sehnenansätzen, perfekt abgestimmt für barfüßiges Gehen und Laufen auf verschiedensten Oberflächen. In der vergleichsweise kurzen Zeit, in der Schuhwerk in vielen Gesellschaften zur Norm wurde, gab es keine nennenswerte evolutionäre genetische Anpassung dieses Bewegungsapparates. Wenn überhaupt, dann findet im Laufe eines individuellen Lebens eine Verkümmerung des genetisch angelegten Knochen-, Muskel- und Sehnenkomplexes statt. Um dem entgegenzuwirken, ist es durchaus angebracht, sich auf die ursprüngliche Natürlichkeit des eigenen Körpers zurück zu besinnen. 

 

Barfuß oder mit Schuh - was passiert?


Der aufrechte Gang zählt zu den wichtigsten Entwicklungs- und Unterscheidungskriterien des Menschen von Tieren. Er verschuf dem Menschen viele Vorteile, vor allem die Fähigkeit, lange Dauerläufe durchzuführen, und wie so oft tun wir uns und unserem Körper das Gesündeste, lassen ihm die beste Pflege zukommen, wenn wir ihn so benutzen, wie er angelegt ist. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung, die Füße des Menschen seien barfuß nicht ausreichend abgefedert und somit anfällig für Verschleiß und Verletzungen, verfügt jedes Bein über ein ausgeklügeltes eigenes Federungssystem, das durch die Spannungen der Sehnen und Bänder in den Gelenken aufrecht erhalten wird.

Wenn wir barfuß mit erhöhtem Tempo laufen, also so, dass bei jedem Schritt beide Beine vom Boden abheben, sollten wir automatisch mit dem Vorderfuß oder zumindest mit dem ganzen Fuß, aber nicht mit der Ferse, auf dem Boden aufsetzen. Wenn der Fuß auf dem Boden aufkommt, befindet er sich direkt unter dem Rumpf, unter dem Körperschwerpunkt, und das Bein ist in Fuß-, Knie- und Hüftgelenk leicht gebeugt. So entsteht eine Arte Zig-Zag-Struktur, die mit der Sehnenaufhängung ausreichend Federung beim Aufstoß auf den Boden liefert. Gleichzeitig wird die Achillessehne, die von der Wadenmuskulatur kommend an der Ferse ansetzt, beim Auftritt wie ein Gummi gespannt und gibt bei jedem Abstoßen wieder kinetische Energie in die Vorwärtsbewegung frei. Durch den Auftritt auf dem Vorderfuß spannen sich die Bänder und Muskeln zwischen den Mittelfußknochen, der Fuß spreizt breit auf, das Fußgewölbe spannt sich, und reflexartig entlädt sich diese Spannung ebenfalls wieder beim Abstoßen.

Weiteren Dämpfschutz sowie Schutz vor Unebenheiten im Boden liefert die recht dicke Fettschicht in der Haut der Fußsohle, die besonders stark an Ferse und Ballen ausgeprägt ist. Im Gegensatz dazu kommen Läufer mit den üblichen Jogging- oder Sportschuhen auf der Ferse auf, der Fuß befindet sich vor der Körpermitte, das Bein ist durchgestreckt. Trotz der Dämpfung entsteht eine unphysiologische Belastung auf die Ferse und auf das Knie, welches quasi dagegen arbeiten muss, durchgedrückt zu werden. Die kinetische Spannungsenergie in den Bändern und Sehnen wird nicht so effektiv aufgebaut wie beim Barfuß-Laufen, die Mittelfußknochen können in den Schuhen nicht auffächern, und weil das Fußgewölbe durch die Einlage im Schuh gestützt wird, wird es daran gehindert, sich seine eigene muskuläre Spannung zu erhalten oder anzutrainieren.
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Mit Messungen wurde sportwissenschaftlich schon gezeigt, dass der Stoß auf Knie- und Hüftgelenke sowie auf die Wirbelsäule trotz gedämpfter Laufschuhe größer ist als beim Barfuß-Laufen auf dem ganzen oder dem Vorderfuß. Zudem berichten fast alle Läufer, die über einen längeren Zeitraum auf Barfuß-Laufen umstellen, dass sich ihr Fußgewölbe aufrichtet, die Muskulatur in Füßen und Beinen stärker und stabiler wird. Dieses natürliche Aufspannen wirkt effektiv auch bereits vorhandenen Verformungen wie Knick-, Senk oder Spreizfuß entgegen und kann sogar dazu führen, dass der Fuß ein bis zwei Schuhgrößen kürzer wird, weil er sich anatomisch korrekt aufrichtet.

Beim langsamen Gehen sind durch die geringere Krafteinwirkung die Unterschiede zwischen barfuß und Schuhen nicht so groß wie beim schnelleren Laufen. Auch ist es hier physiologisch normal, mit der Ferse zuerst aufzutreten und dann den Fuß abzurollen. In den meisten Fällen ist aber auch hier das barfuß Gehen die gesündere Alternative, insbesondere gegenüber Schuhen, die an den Zehen zu eng zulaufen und eine Einlegesohle besitzen, die das Fußbett wie eine Krücke stützt.

 

Ist nicht alles auch Natur, was Kultur ist?


An dieser Stelle wollen wir den Blick nochmal auf unsere Entwicklungsgeschichte richten. Insofern, dass der Mensch sich aus der Natur heraus entwickelt hat, und die Fähigkeit zu Kulturleistungen eben auch zu dieser Entwicklung gehört, kann man sagen, dass jede Kulturleistung auch ein Ausdruck der natürlichen Lebensart des Menschen ist. Der Mensch ist von Natur aus eben - aller Ursprünglichkeitsromantik zum Trotz - kein Tier. Tiere können ohne weiteren Schutz durch Bekleidung in ihrer Umwelt leben, zumindest in der Klimazone, für die sie angepasst sind. Der Mensch kann vielleicht in seiner ursprünglichen Klimazone, den tropischen und subtropischen Regionen, nackt überleben, darüber hinaus aber nicht. Nun gehört es aber zu den unwiderkehrbaren Errungenschaften des Menschen, dass er sich auf der ganzen Welt verbreitet hat.

Und dafür bedurfte es der Erfindung von Kleidung, und unter Umständen auch von Schuhen. Der Mensch passte sich an kältere Klimazonen eben nicht durch biologische, sondern durch kulturelle Entwicklung an. Insofern ist es vielleicht etwas übertrieben, darauf zu bestehen, das ganze Jahr über und auch in den Städten barfuß unterwegs zu sein. Und nur die verwegensten Fanatiker würden wohl die Überzeugung vertreten, aus Naturnähe sei es wichtig und angemessen, nackt durch die Stadt zu laufen. (Dass sich die Grenzen der urbanen Sommermode teilweise dem Nullpunkt nähern, ist auch eine interessante Beobachtung in diesem Zusammenhang. Aber während schon in Strandnähe der Ausflug in die Einkaufspassage in Bikini oder Badehose fragwürdig ist, sollte man seine Kleiderwahl in einer durchschnittlichen deutschen Stadt vielleicht besser nicht auf die letzten unverzichtbaren Mini-Teile beschränken.) Also: Es muss nicht unbedingt immer und durchgehend barfuß sein, denn das wäre auch nicht wirklich natürlich.

 

Jedoch: Schuhe sind nicht gleich Klamotten


Jetzt ist es aber so, dass sich ein Schuh ganz anders auf den Körper auswirkt als Klamotten. Abgesehen von modischen Aspekten hält uns Kleidung in erster Linie warm und schützt vor Regen, Sonne, Wind oder dem Gelände. Und das ist gut und wichtig. Man trägt sich an Kleidung allerdings auch nicht den Buckel krumm, während man sich mit den meisten Schuhen doch tendenziell die Füße krumm- oder plattläuft. Der Anteil der Füße an der Regulation der Körpertemperatur ist vergleichsweise gering, allerdings gilt natürlich, dass sich gerade mit nackten Füßen die Kälte aus dem Boden schnell bemerkbar macht. Allerdings berichten viele Menschen, die zunehmend barfuß laufen, auch davon, dass sich zum einen die Füße recht schnell an den kühlen Untergrund gewöhnen und anpassen, und zum anderen die freien Füße dem gesamten Körper gut als eine Art Thermostat dienen, sodass sie ein intuitiveres Gespür für Wärme und Kälte entwickeln.

Zum Teil hat der Schuh, ähnlich wie die Kleidung, natürlich auch eine Schutzfunktion gegen übermäßige Kälte, Dornen, spitze Steine, zu heißen Untergrund, und in der modernen Welt auch gegen Scherben und andere spitze oder scharfe Gegenstände. Zu einem gewissen Maß passt sich der Fuß und insbesondere die Sohle mit der Zeit auch an diese Unwegsamkeiten an, zum Beispiel, indem sich eine Hornhaut bildet, die vor kleinen Kanten, Steinchen und sogar Scherben schützt, oder indem wir generell weniger empfindlich werden und uns einfach daran gewöhnen, dass der Boden sich nicht immer anfühlen muss wie ein Moosbett.

Und trotz alldem, es gibt einfach Zeiten und Gelegenheiten, bei denen Schuhe angebracht (z.B. Theaterbesuch) oder gar empfehlenswert (z.B. Hüttenwanderung mit schwerem Rucksack) sind. Doch auch für diese Fälle gibt es mittlerweile eine ganze Reihe an kleineren und größeren Unternehmern, die Barfußschuhe für alle Lebenssituationen herstellen, von der luftigen Sommersandale bis zum robusten Winterstiefel, vom leichten Laufschuh bis zum trittfesten Wanderbegleiter. Wir wollen hier keine Werbung machen oder explizite Empfehlungen abgeben, können aber den neugierig gewordenen ein paar Tipps für die Suche mitgeben:

Barfußschuhe sollten vor allem eine möglichst dünne, elastische Sohle aus robustem Material aufweisen, die von der Ferse bis zu den Zehen gleichmäßig verläuft (der Fachmann nennt den Unterschied der Sohlendicke zwischen Ferse und Ballen “Sprengung”). Zudem sollte die Sohle flach sein, also nicht das Fußgewölbe abbilden, denn nur so werden die Fußmuskeln gefordert, das Gewölbe selbst aufzuspannen. Weiterhin sollte der Schuh an die Anatomie menschlicher Füße angepasst sein, also vor allem dem Vorderfuß und den Zehen viel Raum zur freien Entfaltung und zum Auffächern geben, und eben nicht nach vorne eng zulaufen, wie es bei den meisten Sport- und auch Alltags-Schuhen der Fall ist. Es gibt nämlich tatsächlich auch einige Anbieter, deren Barfußschuhe eine Sohle mit Wölbung haben und die nach vorne eng zulaufen. Diese Schuhe würden wir aber nicht mehr als echte “Barfußschuhe” bezeichnen.

Ein Barfußschuh verdient seinen Namen eigentlich nur dann, wenn wir in ihm barfuß laufen können, mit ein bisschen Material unter der Sohle und ein wenig schützenden und wärmenden Stoffs um den Fußrücken. Am dichtesten an dieses authentische Gefühl kommen sogenannte Zehenschuhe, bei denen nicht der ganze Vorderfuß in einem umfasst wird, sondern jede Zehe ihr eigenes Kompartiment hat und sich dadurch maximal frei bewegen kann. Nachteil ist hier allerdings, dass man, zumindest im Winter, auch ein ganzes Sortiment spezieller Zehensocken braucht, um die Schuhe überhaupt anziehen zu können, und diese sind auch nicht unbedingt immer günstig zu haben. Aus unserer Erfahrung reicht es allerdings auch aus, richtig gute Barfußschuhe zu tragen, die dem Vorderfuß viel Freiheit lassen.
 

 

Zum Schluss


Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir bei jeder sich bietenden Gelegenheit barfuß laufen sollten, und in allen anderen Fällen unsere Treter am besten in Barfußschuhe stecken. Denn dies sind die kurz-, mittel- und langfristigen Benefits:
  • Die Muskulatur, die das Fußgewölbe spannt und die Mittelfußknochen aufspannt, wird trainiert und gestärkt. Der Fuß wird stabiler, weniger verletzungsanfällig und länger belastbar.
  • Der anatomisch korrekte Laufstil wirkt sich korrigierend auf die Haltung und das dynamische Zusammenspiel von Sprunggelenk, Knie, Hüfte, Kreuz, Wirbelsäule, Schultern, Nacken und Kopf aus.
  • Nicht nur der Fuß, sondern das ganze Bein und sogar der Oberkörper werden stabiler und weniger verletzungsanfällig.
  • Der Fuß ist ständig an der frischen Luft und kann “atmen”, d.h. Nässe staut sich nicht, die sonst Fuß- und Nagelpilz fördert.
  • Durch die optimale Nutzung des physiologischen Federsystems von Mittelfußgerüst, Fußgewölbe und Achillessehne beim Ballenlauf erfolgt eine bessere Kraftübertragung.
  • Die Wärmeregulation über die Füße ist recht schnell adaptiv. Zum einen nimmt das Kältegefühl an den Füßen ab, zum anderen “informieren” die nackten Füße den gesamten Körper über aktuelle Luft- und Bodentemperaturen.
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