Wann und warum wir essen, und wie man auch mal nicht essen kann

Drei Arten von Hunger

Wir essen, weil wir Hunger haben. So sollte es zumindest sein. Doch leider müssen wir uns oft eingestehen, dass wir den kleinen Snack zwischendurch oder die Knabbereien am Abend nicht wirklich brauchen, um unseren Hunger zu stillen. Oder vielleicht doch? Ein Erklärungsmodell zum Hunger.

In dem hier im Blog schon einmal vorgestellten Buch "Geheimarchiv der Ernährungslehre" wird im Zusammenhang mit der Ernährungsweise mexikanischer Indios das Thema Hunger angeschnitten. Dabei wird argumentiert, dass es drei Arten von Hunger gibt. Schauen wir uns diese einmal an.

Als erstes wird der "Hollow Hunger" genannt, zu deutsch in etwa der "hohle Hunger", der sich einstellt, wenn Magen und Dünndarm nach der letzten Mahlzeit komplett entleert sind und keine Nährstoffe mehr in den Körper gelangen. In dieser Phase muss der Körper an seine Energiereserven, was er nur ungern macht (man könnte sie ja noch für richtig schlechte Zeiten brauchen), und signalisiert sein Bedürfnis durch ein starkes Hungergefühl. Dieses Gefühl ist im Allgemeinen begleitet von einer körperlichen Leichtigkeit, man merkt regelrecht, dass kein Ballast mehr im Verdauungstrakt steckt. Entwicklungsphysiologisch ist das Gefühl der Leere, Leichtigkeit und Frische auch sinnvoll, denn in so einem Zustand lässt sich mit Konzentration und Energie für die nächste Mahlzeit sorgen. Diese Art von Hunger ist die gesunde und erstrebenswerte vor jeder Mahlzeit.

Eine weitere Art von Hunger, die schon auf eine falsche Lebensweise hindeutet, ist der "Hidden Hunger", also der "versteckte Hunger". Hierunter versteht man den Mangel an bestimmten Nährstoffen, der ausgeglichen werden soll durch die Lust auf und die darauf folgende Aufnahme von Nahrungsmittel, von denen der Körper ahnt, dass sie Abhilfe verschaffen. Das ist in der Zeit vorproduzierter Nahrungsmittel und Auszugsprodukte allerdings nicht ganz einfach: Während der Körper früher anhand des Geschmacks wissen konnte, was an Vitaminen und Mineralien wo drinsteckt, wird er heute durch künstliche Aromen und Zucker in die Irre geführt. Dadurch kann trotz Nahrungszufuhr ein immer größerer Mangel an Nährstoffen entstehen, der einhergeht mit dem ständigen Bedürfnis, irgendetwas zu essen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Lust auf Süßigkeiten und Weißmehlprodukte, der aus einem Vitamin-B-Mangel entstehen kann und diesen nur noch weiter antreibt, je mehr man zu Süßigkeiten und Weißmehlprodukten greift.

Die dritte Art des Hungers wird als "Humdrum Hunger" bezeichnet. Hier handelt es sich eher um einen psychischen oder emotionalen Hunger, der über das Essen einen Ersatzkanal findet. Er entsteht also durch ein Gefühl des Verdrusses oder des Überdrusses. Man greift zum Schokoriegel, zu den Chips, zu den Nüssen, weil einen die aktuelle Tätigkeit nicht ausfüllt, oder das Fernsehprogramm wieder einmal nicht spannend genug ist, oder weil das Leben an sich und allgemein...

In einer Zeit, in der Nahrunsmittel jederzeit zur Verfügung stehen, ist der physiologische Hollow Hunger selten geworden. Selten liegen zwischen zwei Mahlzeiten mal fünf oder sechs Stunden, die nicht mit einer Zwischenmahlzeit überbrückt werden. Gleichzeitig nehmen der Hidden Hunger und der Humdrum Hunger zu – gefördert durch zu viele Fertigprodukte und ein abnehmendes Gefühl sinnvoll zusammenhängender Lebensprozesse. Hat man aber diese Fallen erst einmal identifiziert, und beginnt man sich zu fragen, warum man eigentlich isst, so ist schon der erste Schritt getan. Manchmal nährt eine ausgelassene Mahlzeit mehr als ein voller Teller, und man wird belohnt mit einer wachen Aufmerksamkeit dafür, was für einen Hunger wir eigentlich gerade sättigen wollen. Im Folgenden wollen wir deshalb kurz noch das Modell des intermittierenden Fastens ansprechen.
 

Intermittierendes Fasten

Unter intermittierendem Fasten, auch Intervallfasten genannt, versteht man das Auslassen der Nahrungsaufnahme über kurze Zeiträume, also für mehrere Stunden oder einen ganzen Tag. Praktisch kann das so aussehen, dass man eine der drei Hauptmahlzeiten weg lässt, oder einmal in der Woche einen Tag lang nichts zu sich nimmt (außer Wasser oder Tee). Über die gesundheitsfördernden Aspekte solch einer Diät ist sich die Forschung einig, zusätzlich wird oft argumentiert, dass solch ein Essensrhythmus der Entwicklungsgeschichte des Menschen entspricht, der als Jäger und Sammler morgens die Höhle verlassen musste, um die erste Mahlzeit des Tages zu besorgen. Ob die Menschen damals aber tatsächlich nicht so weit planen konnten, zumindest von der Abendmahlzeit Reste für den nächsten Morgen übrig zu lassen, sei mal offen gelassen...

Auf jeden Fall hat der Organismus in einer über Stunden andauernden Hungerperiode Zeit, die Verdauungsorgane vollständig zu entleeren und zu reinigen, die Energiereserven in Leber und Muskeln aufzubrauchen, Zellrückstände abzubauen und für einen effizienten Stoffwechsel zu sorgen.

Sehr effektiv und verhältnismäßig leicht auszuhalten ist das Weglassen des Frühstücks, und die Nahrungsaufnahme mit einem normalen Mittagessen zu beginnen. Dadurch entsteht ein Zeitfenster von bis zu 20 Stunden zwischen der letzten Mahlzeit, dem Abendessen am Vortag, und der nächsten Mahlzeit.

Das Auslassen des Mittagessens fällt erfahrungsgemäß etwas schwerer, lohnt sich aber insbesondere dann, wenn man am Nachmittag oder frühen Abend Sport treiben möchte. Auch wenn man befürchtet, mit zu wenig Energie in das Training zu starten, wird man bald feststellen, dass sich eine gewisse Leichtigkeit einstellt, da der Körper überhaupt keine Energie mehr für die Verdauung verbraucht und diese voll in die Muskelarbeit inverstieren kann. Außerdem läuft die Energiegewinnung aus den Fettreserven auf Hochtouren! Unter Umständen bedarf es aber ein paar Gewöhnungseinheiten, bis man gut durch das Sportprogramm im Hungermodus durchkommt. Im Anschluss darf man dann die Energiespeicher wieder mit einer leckeren Mahlzeit vollladen.

Die dritte Möglichkeit ist, das Abendessen ausfallen zu lassen. Das wird vor allem in buddhistischen Gemeinschaften empfohlen ("nach 12 Uhr isst man für die Geister"). Allerdings ist auch diese Art des intermittierenden Fastens, v.a. im Gegensatz zum Weglassen des Frühstücks, recht anspruchsvoll, da man eine recht lange Wachperiode des Hungers erlebt, und abends vollkommen entleert ins Bett geht. Um Heißhunger-Attacken zu entgehen, braucht man dann schon ein gutes Stück Willenskraft. Wer sich ein bisschen daran gewöhnen kann, wird aber mit einem sehr befreiten Schlafgefühl belohnt.

Eine weitere Art des Intervallfastens wäre das Auslassen aller Mahlzeiten bis zum Abendessen. So entsteht ein schon ziemlich guter Fastenzeitraum von rund 24 Stunden, ohne dass man abends ohne Belohnung ins Bett muss. Aber auch das Abendessen, also alle drei Mahlzeiten, auszulassen, hat seine Vorteile. Hier kann zum Beispiel die Motivation, einen zu 100% nahrungsmittelfreien Tag zu schaffen, sehr unterstützend wirken beim Durchhalten. Außerdem rücken mit zunehmender Dauer die Nahrungsgelüste in den Hintergrund, sobald eine "kritische Schwelle" nach ca. 5-6 Stunden überschritten ist.

(ts)