Zwei Konzepte im Vergleich

Ist regional das neue bio?

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Ist regional das neue bio? Dieser Frage gingen die Teilnehmer einer Diskussionsrunde nach, die im Rahmen der Gesundheitsmesse vitaTREND letzten Oktober in Heidelberg stattfand. Mit dabei waren auch wir sowie zwei regional arbeitende Obst- und Gemüsebauern, der Biokisten-Betreiber Dirk Agena, der Koch René Hülsenitz sowie der Verein Slow Food Rhein-Neckar.

Die Diskussion an sich verlief in großen Teilen leider etwas ziellos, und am Ende mussten die Teilnehmer die Publikumsfrage, was regional denn jetzt konkret mit bio zu tun habe, achselzuckend mit einem schlichten „Eigentlich nichts“ beantworten. Das ist auf der einen Seite richtig, auf der anderen Seite aber auch schade, denn die Frage, ob regional das neue bio sei, bietet Anlass zu weiter reichenden interessanten Überlegungen. Man kann sich der Frage nämlich aus ökologischen, gesundheitlichen, sozialen und kulinarischen Gesichtspunkten nähern.

Regional angebaute Lebensmitteln gibt es sowohl aus bio- als auch aus konventionellem Anbau. Ebenso gibt es bio-Lebensmittel vom anderen Ende der Welt. Regional als neues bio zu beleuchten, ist daher vielleicht eher die Beobachtung eines gesellschaftlichen Trends. Vielen Verbrauchern geht es heute nicht nur um das eigene Wohl, sondern auch das der Umwelt. Insofern leistet der Konsum von regional erzeugten Lebensmitteln, aber auch von anderen Gütern, einen Beitrag zur Nachhaltigkeit, da lange Transportwege wegfallen, Wertschöpfung in der Region bleibt und somit auch kleine Betriebe in ihrem Überleben unterstützt werden. Dieses Motiv ist nicht immer mit dem Konzept bio vereinbar, zum Beispiel, wenn bestimmte Produkte in der Region nicht biologisch angebaut werden. Dann kann es gut sein, dass sich Verbraucher mittlerweile im Zweifel lieber für Lebensmittel direkt aus der Region entscheiden, wenn diese zwar nicht bio-zertifiziert sind, aber von einem Erzeuger stammen, zu dem sie einen direkten Bezug haben und dem sie vertrauen, dass trotz konventioneller Landwirtschaft nicht fahrlässig mit Dünge- und Spritzmitteln umgegangen wird.

Allerdings gibt es keine eindeutigen Kriterien, was regional eigentlich bedeutet. Während die Anforderungen an die verschiedenen bio-Labels recht klar definiert sind, existiert keine Bestimmung dafür, wie weit eine Region reicht. So stellt sich die Frage, von woher die Lebensmittel noch kommen dürfen, um gefühlt als regional durchzugehen. Handelt es sich um eine Entfernung, die noch innerhalb eines Tages zu erreichen ist? Und wenn ja, mit welchen Transportmitteln? Zu Fuß - das wäre sehr eng gefasst. Mit dem Flugzeug? Dann könnten wir Lebensmittel aus der halben Welt als regional bezeichnen. Nehmen wir eine geologische oder eine Klimazone als Referenz? Oder Länder- und Staatengrenzen? Was wäre in Süddeutschland regionaler, das Gemüse aus Frankreich oder das Obst aus Norddeutschland? Und wie sieht es mit Fisch aus der Nordsee aus? Dürfte Seefisch nur noch direkt an der Küste verspeist werden? Bei Dirks Biokiste gilt im Zweifelsfall die Entfernung von 200 km Luftlinie als Außengrenze der Region, aber auch das ist eine frei gewählte Definition. Eventuell wäre ein brauchbarer Zusatz, solche landwirtschaftlichen Produkte als regional zu bezeichnen, die auch saisonal direkt vor der Haustür verfügbar sind oder wären.

Doch während die biologische Landwirtschaft der Umwelt und den Anbauflächen auf der ganzen Welt zu Gute kommt, erscheint regional als ein Konzept, das auch in Frage gestellt werden kann. Wenn kein Konsens über die Bezeichnung regional besteht, wie kann man dann rechtfertigen, dass ab einer imaginären Grenze nichts mehr gekauft wird? Auf die Spitze getrieben könnte das ja bedeuten, dass man nur das Gemüse von der einen Seite eines Feldes kaufen dürfte, weil die andere Seite schon zu weit entfernt liegt.

Aber mal realistischer: Der Austausch von Handelsgütern ist ein Kennzeichen menschlicher Zivilisation und hat in der Geschichte auch viel zu Entwicklung und dem kulturellen Austausch zwischen den Völkern beigetragen. Dass die Globalisierung bisweilen absurde Züge angenommen hat, muss nicht bedeuten, dass wir dem Kakao-Bauern in Afrika unseren Euro nicht mehr gönnen.

Durch den überregionalen bis internationalen Handel entsteht nicht nur ein kultureller Austausch, sondern auch ein kulinarischer. Doch wo ist hier die Konsequenz noch angebracht? Sollten wir auf Kaffee, Kakao und Gewürze wie Pfeffer verzichten, nur um nicht außer-regional zu konsumieren? Und entsteht nicht durch das Kennenlernen internationaler Kochkünste ein erheblicher Mehrwert an Genuss? Sicher, die regionale und einheimische Küche hat auch viel zu bieten, sie ist zu Unrecht etwas in Vergessenheit geraten in Anbetracht des vielfältigen Angebots an Speisen aus aller Welt und sollte wiederentdeckt werden. Und trotzdem ist es doch gerade die Vielfalt, die das Leben auch bereichert. Unter diesem Gesichtspunkt wäre regional, genauso wie bio, nur ein Aspekt nachhaltigen Konsums von Lebensmitteln. Fairer Handel und menschenwürdigende Wirtschaftsbeziehungen müssen diese dann noch ergänzen.

(ts)

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