Thema Gesunde Ernährung

Wie und warum Zucker süchtig macht

Viele Menschen halten Zucker für eine Droge, die über ähnliche Mecha­nismen funktioniert wie andere Suchtmittel. Dass diese Annahme nicht unberechtigt ist, zeigt ein Blick in unseren Stoffwechsel.

Mit Zucker ist in der Regel der übliche Haushaltszucker gemeint, also raffinierter Rüben- oder Rohrzucker. Dabei handelt es sich um ein Disaccharid, also eine Substanz aus jeweils einem Molekül Glukose (Traubenzucker) und Fruktose (Fruchtzucker). Im Gegensatz zu den aus vielen Molekülen bestehenden Polysacchariden wie der Stärke in Getreide und Kartoffeln werden die Glukose und die Fruktose aus Haushaltszucker sehr schnell ins Blut aufgenommen.

In seiner Entwicklung war der Mensch eher mit Nahrungsmangel als mit Überfluss konfrontiert. Standen schnell verfügbare Energielieferanten zur Verfügung, so wurden diese bevorzugt verzehrt. Die Lust auf Zucker ist also evolutionär entstanden und auch sinnvoll – allerdings nicht in Zeiten, in denen Zucker und energiereiche Mahlzeiten an jeder Ecke im Übermaß erhältlich ist. Denn dann müssen angeborene Instinkte mit Disziplin ausgebremst werden.

Physiologisch und biochemisch kann man die Suchtentwicklung auf Zucker über zwei Wegen erklären: Zum einen sorgt Zucker für einen schnellen Anstieg des Blutzuckerspiegels, was zu einer hohen Ausschüttung von Insulin führt. Insulin schleust nicht nur Glukose in die Zellen ein, sondern regt u. a. auch die Serotonin-Produktion im Gehirn an. Serotonin macht glücklich, zufrieden und lindert Schmerzen. Nach einem schnellen Anstieg fällt der Blutzuckerspiegel jedoch ebenso schnell wieder ab, genauso der Insulin- und letztlich der Serotoninspiegel. Es stellt sich ein Gefühl des Hungers und der Unzufriedenheit ein, das mit der nächsten Dosis Zucker leicht und schnell beseitigt werden kann. Zudem reagieren die Hirnzellen auf sich wiederholende Serotonin-Spitzen mit einer Verringerung der Serotonin-Rezeptoren, mit der Folge, dass für das gleiche Zufriedenheitsgefühl stetig mehr Serotonin und daher mehr Zucker benötigt wird – eine Toleranzentwicklung, wie sie für Abhängigkeit typisch ist.

Ein zweiter Mechanismus betrifft den Vitamin-Haushalt. Kohlenhydrate werden unter Verbrauch von Vitamin B1 (Thiamin) verstoffwechselt. Der Körper entwickelt infolge automatisch Appetit auf thiaminhaltige Nahrungsmittel. Reich an Thiamin ist v. a. Getreide, also das, was unser Körper ursprünglich als süß (kohlenhydrathaltig) kannte. Im Getreide wird das Thiamin für den Zuckerstoffwechsel also direkt mitgeliefert. Wir registrieren den Appetit auf thiaminhaltige Nahrungsmittel also als Hunger auf Süßes. Heute sind das aber in erster Linie Süßigkeiten und Softdrinks, die zwar reich an Zucker sind, aber keine Vitamine und andere Vitalstoffe mehr beinhalten. Die Verstoffwechslung der großen Zuckermengen verbraucht erneut Thiamin, es entsteht ein immer größerer Mangel an dem Vitamin und somit ein immer größerer Hunger auf Süßes. Ein Teufelskreis entsteht, aus dem man ausbrechen kann, in dem man Süßhungerattacken mit Mahlzeiten aus Vollkorngetreide stillt.
Vollkorn
Dass Zucker eine echte Droge ist, ist übrigens auch der Industrie und dem Handel gut bekannt. Es ist kein Wunder, dass in den Supermärkten Süßigkeiten vor der Kasse auf Augenhöhe der Kinder aufgebaut sind, direkt unter den Tabakwaren und kleinen Schnapsflaschen für die Erwachsenen. Da passt es auch, dass in unmittelbarer Umgebung von Supermärkten oft Apotheken zu finden sind.
 

Im Vergleich:

Alternative zum Süßen 


Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe verursachen keine Karies und sind mit Ausnahmen auch für Diabetiker geeignet. Zudem liefern Süßstoffe keine Kalorien. Beide Gruppen wirken in hohen Mengen abführend, gelten aber als nicht gesundheitsgefährdend. Jedoch weisen Forscher darauf hin, dass noch keine echte Empfehlung für oder gegen Süßstoffe vorliegt. Fruktose galt lange Zeit für Diabetiker als unbedenklich, bis klar wurde, dass auch Fruktose bei den diabetischen Folgeschäden eine Rolle spielt.

Manche Studien vermuten eine durch Süßstoffe und Zucker­austauschstoffe weitergeführte „Süß-Sucht“, auch weil das Gehirn durch den süßen Geschmack einen Energieschub erwartet, diesen aber nicht erhält und erneut Hungersignale aussendet. Zudem könnten Süßstoffe die Darmflora negativ verändern und dadurch Probleme verur­sachen. Es wäre also zu erwägen, als Alternative zum Süßen die tatsächliche Alternative zu wählen: nicht süß.

(ts)